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Die China-Taiwan-Krise und die Zwickmühle der USA

Käme es zwischen China und Taiwan zu einem offenen Konflikt, würden sowohl die USA als auch ihre Verbündeten vor erhebliche logistische und geostrategische Herausforderungen gestellt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Sicherheit im indopazifischen Raum und darüber hinaus. Erfahren Sie im Folgenden, wie die Zwickmühle der USA aussieht.

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Die China-Taiwan-Krise und die Zwickmühle der USA

Der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan im August 2022 war nicht nur eine diplomatische Geste, sondern ein unmissverständliches Signal: Die Vereinigten Staaten betrachten Chinas zunehmende Aktivitäten in Bezug auf Taiwan mit größter Sorge. Die Reaktion der chinesischen People’s Liberation Army (PLA) ließ nicht lange auf sich warten. Mit einer Reihe groß angelegter Militärmanöver zeigte China, dass es bereit ist, seine Ansprüche mit Nachdruck zu untermauern. Marschflugkörper durchquerten den taiwanesischen Luftraum, und Kampfflugzeuge verletzten die taiwanesische Luftsicherheitszone. Die Botschaft Chinas war klar: Die seit den 1970er-Jahren geltenden territorialen Ansprüche auf Taiwan bleiben unverändert.

Für die USA und ihre Verbündeten stellt sich in diesem wachsenden Konflikt eine komplexe Herausforderung: Die rhetorische Unterstützung und Sicherheitszusagen an Taiwan erweisen sich als weitaus einfacher, als dass sie im Ernstfall durchzusetzen wären. Dabei rücken zwei zentrale Fragen in den Fokus

  1. Wie weit wird China gehen, um seine Ansprüche zu realisieren?
  2. Und wie sollten die USA darauf reagieren – durch materielle Unterstützung Taiwans, ähnlich wie im Ukrainekrieg, oder durch direkte militärische Interventionen?

Der „Bottleneck“ – die Logistik

Im Falle eines Konflikts wäre die Versorgung Taiwans eine gewaltige Aufgabe. Als Insel ist Taiwan vollständig auf See- und Lufttransporte angewiesen, die jedoch bei militärischen Auseinandersetzungen mit China einem erheblichen Risiko ausgesetzt wären. Eine chinesische Seeblockade oder die Schließung des Luftraums könnte die Insel von jeglichem Nachschub abschneiden. Die USA und ihre Streitkräfte würden vor enorme Herausforderungen gestellt.

Die US-Streitkräfte im Südchinesischen Meer sind auf Basen in Guam, Japan, Singapur und auf den Philippinen angewiesen, die wiederum über das US-Festland und Hawaii versorgt werden müssten. Ohne regionale Unterstützung wäre eine langfristige Operation zur Unterstützung Taiwans kaum durchführbar. Bereits jetzt steht die 7th Fleet der US-Navy vor erheblichen logistischen Engpässen. Einige Versorgungsschiffe in ihrer Flotte sind geleast, was die Flexibilität bereits jetzt weiter einschränkt. Diese Schwierigkeiten verdeutlichen, dass eine umfassende militärische Unterstützung Taiwans unausweichlich eine direkte Konfrontation mit China bedeuten würde ein Szenario, das sich grundlegend von der Art der Unterstützung der Ukraine unterscheidet.

Die Rolle internationaler Partner

Ein zentraler Faktor in einem möglichen Konflikt wäre die Rolle regionaler und internationaler Partner. Während ein direkter Einsatz von NATO-Seestreitkräften im Pazifik aufgrund der extraterritorialen Natur des Konflikts unwahrscheinlich ist, könnten die USA auf die Unterstützung von Verbündeten wie Japan, Australien und Südkorea setzen. Europäische Länder, darunter Deutschland, beteiligen sich zwar regelmäßig an militärischen Übungen wie RIMPAC, könnten jedoch im Ernstfall nur begrenzte operative Unterstützung leisten.

Chinas strategischer Vorteil

China hingegen hat in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte beim Ausbau seiner Marine- und Landungskapazitäten erzielt. Mit kürzeren Versorgungswegen und der Möglichkeit, Operationen direkt vom Festland aus zu starten, hat China einen strategischen Vorteil. Dennoch bietet Taiwans geografische und militärische Situation einige Verteidigungsvorteile, darunter befestigte Stellungen und die Herausforderung, amphibische Invasionen erfolgreich durchzuführen. Auch meteorologische Bedingungen könnten die Pläne einer chinesischen Offensive erschweren.

Die Optionen der USA und ihre Konsequenzen

Kurzfristig bleibt den USA kaum mehr, als Taiwan durch diplomatische Initiativen und militärische Ertüchtigung zu stärken. Die Lieferung moderner Waffensysteme, die Ausbildung taiwanesischer Soldaten und die Unterstützung bei der Sicherung der Grenzen könnten die Kosten und Risiken für eine mögliche chinesische Invasion erhöhen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, eine glaubhafte Abschreckung zu schaffen und Chinas fortwährende Grenztests einzudämmen.

Langfristig wird ein Konflikt zwischen China und Taiwan auch die strategische Planungsfähigkeit der USA auf die Probe stellen. Der aktuelle „Procurement-Plan“ sieht bis 2030 den Bau von 14 Versorgungsschiffen für die gesamte US-Marine vor eine Zahl, die weder den steigenden Anforderungen der Region gerecht wird noch mit dem Tempo des chinesischen Flottenausbaus mithalten kann. Ohne eine deutliche Steigerung der logistischen Kapazitäten könnten die USA gezwungen sein, ihr globales Engagement zu reduzieren, um sich stärker auf den Indopazifik zu konzentrieren.

Deterrence, Ertüchtigung, Versöhnung?

Ein möglicher Konflikt im Indopazifik würde nicht nur die militärischen, sondern auch die diplomatischen Fähigkeiten der USA und ihrer Verbündeten auf die Probe stellen. Die fragile Balance in der Region erfordert eine Kombination aus militärischer Vorsorge, strategischer Partnerschaft und diplomatischen Bemühungen. Der Schlüssel liegt darin, einer weiteren Eskalation vorzubeugen und Taiwan durch gezielte Unterstützung in die Lage zu versetzen, seine Verteidigungsfähigkeit zu stärken, ohne die Schwelle eines offenen Konflikts zu überschreiten.

Sicherheitsnetzwerk im Indopazifik als Gegengewicht

Hierbei spielen koordinierte internationale Bemühungen eine entscheidende Rolle. Die USA müssen nicht nur ihre bestehenden Bündnisse mit regionalen Partnern wie Japan, Australien und Südkorea festigen, sondern auch neue Koalitionen schmieden, um ein starkes Gegengewicht zu Chinas Einfluss zu bilden. Gleichzeitig sollten Bemühungen unternommen werden, neutrale oder bislang unbeteiligte Staaten wie Indien oder Indonesien stärker in die sicherheitspolitischen Diskussionen einzubinden. Die Schaffung eines stabilen Sicherheitsnetzwerks könnte dazu beitragen, potenziellen Aggressionen entgegenzuwirken und langfristige Stabilität in der Region zu gewährleisten.

Offene Kommunikationskanäle zu China

Auf der diplomatischen Ebene erfordert die Situation eine präzise Gratwanderung. Während eine klare Positionierung zur Unterstützung Taiwans notwendig ist, sollte dies so erfolgen, dass die Kommunikationskanäle zu China offen bleiben. Regelmäßige Gespräche auf höchster Ebene, beispielsweise im Rahmen multilateraler Foren wie der G20 oder ASEAN, könnten helfen, Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen schrittweise wiederherzustellen. Dies könnte auch in Form vertrauensbildender Maßnahmen geschehen, etwa durch gemeinsame Maßnahmen zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie des Klimawandels, um Spannungen indirekt abzubauen.

Handelsbeziehungen als Friedensstrategie

Wirtschaftlich gesehen könnten Entspannungsmaßnahmen in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und China eine wichtige Grundlage für Deeskalation bieten. Die gezielte Rücknahme von Zöllen, die Förderung bilateraler Investitionen oder gemeinsame Projekte in strategischen Sektoren wie erneuerbare Energien könnten dazu beitragen, wirtschaftliche Interdependenzen zu stärken und die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Konflikts zu verringern. Eine engere wirtschaftliche Verzahnung würde nicht nur die Spannungen reduzieren, sondern auch einen Anreiz für beide Seiten schaffen, an einer friedlichen Lösung festzuhalten.

Multilaterale Sicherheitsstrukturen: Der Schlüssel zur langfristigen Stabilität im Indopazifik

Letztlich wird die Zukunft der Region von der Fähigkeit abhängen, eine multilaterale Sicherheitsstruktur zu schaffen, die sich nicht allein auf militärische Stärke stützt, sondern auf gegenseitigem Respekt, Kooperation und einem klaren Bekenntnis zu einer friedlichen Konfliktlösung basiert. Dies erfordert Geduld, strategisches Denken und die Bereitschaft, in einem komplexen geopolitischen Umfeld flexibel und innovativ zu handeln.

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